FENCE
Was wäre, wenn ich meinen Eltern heute bei ihrem damaligen Reden und Handeln zusehen könnte? In einer Zeit- und Staatenlosen Grauzone finden sich neun Personen an einem Stacheldraht-Zaun wieder, der eine mysteriöse Grenze markiert. Jeder und jede von ihnen trägt eine Geschichte mit sich: ein Bündel aus Erinnerungen, unerfüllten Wünschen, Erwartungen und alltäglichen Gewohnheiten. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Grenze zu überschreiten. Diese Aufgabe vereint sie und bringt einen Dialog zustande. Die neun Reisende sind schon längst aus dieser Welt geschieden, sie gehören der verlorenen Generation der Achtziger Jahre in Kambodscha an. Jener, die im Laufe der kommunistisch geprägten Diktatur von Pol Pot ausgerottet wurde. Die Toten bekommen durch die Stimme der Überlebenden wieder ein Gesicht, sie treten aus der Finsternis und sprechen uns zu, durch die Stimmen ihrer Enkel, Nichten, Freunden und Kinder. Das theater der sprachfehler begibt sich auf die Reise nach Kambodscha, um mit Studenten und Dozenten der Universität Battambang sowie der Zirkusschule Phare Ponleu Selpak den Geschichten dieser Ermordeten ein Denkmal zu setzen. In den zwei Monaten, die der Aufführung vorausgehen, werden wir uns mit den Erzählungen von Zeitzeugen, Waisen und Nachkommen der Opfer des Genozids treffen und zusammen nach den Geschichten suchen, die auch in unserer westlichen Welt viel zu oft hinter einem „Das ist zu weit weg von uns, um es zu verstehen“ verborgen geblieben sind. Es ist unser Vermächtnis, die Geschichten der Vergangenheit weiterzuerzählen, um zu verhindern, dass sich ähnliche Ausartungen der menschlichen Machtkämpfe wiederholen.
INHALT
Das totalitäre Regime der Roten Khmer unter der Führung von Pol Pot regierte Kambodscha in den Jahren 1975-1979. Nach dem Einzug der vietnamesischen Truppen beeinflussten die Roten Khmer weiterhin aus dem Untergrund, unterstützt von zahlreichen westlichen Regierungen, bis 1998 das Land. Die Roten Khmer wollten die Gesellschaft mit Gewalt in einen Agrarkommunismus überführen. Auf diesem Weg, wurden in den Jahren bis zum Ende ihrer offiziellen Herrschaft ungefähr 2,2 Millionen Kambodschaner ermordet. Noch heute ist die Spaltung in dem Land zu spüren. Kambodscha ist im Westen einstweilen zu einer sehr beliebten touristischen Destination geworden. Das Stück FENCE (aus dem Englischen, Zaun), das zusammen mit Artisten und Zeitzeugen dieser blutigen Jahre von Christian Kühne und Andreas Jähnert entwickelt wird, baut sich um einen einzigen, scheinbar unüberwindbaren Zaun auf. Der Zaun symbolisiert die Grenze zu einer neuen Welt. Er stellt die letzte Hürde dar, die alle neun Darsteller von ihren Träumen trennt. Die neun Reisenden, die sich zufällig vor dem Zaun treffen und miteinander ins Gespräch kommen, befinden sich auf der Flucht vor einem Feind, vor ihren innersten Gespenstern, vor einem Regime – jeder von ihnen hat einen eigenen Grund für diese Reise und doch scheinen sie alle durch die Not, ihre Geschichte zu erzählen, vereint. Die neun Darsteller sind schön längst nicht mehr am Leben. Es handelt sich dabei um Personen, die in den Siebzigerjahren getötet wurden. Einmal noch wollen wir ihre Geschichte erzählen, durch die Stimme und den körperlichen Ausdruck ihrer Nachkommen (die Artisten der Schule Phare Ponleu Selpak). Die Zirkusschule Phare Ponleu Selpak und die Universität Battambang selbst sind auf verschiedene Weisen sehr Eng mit dem Genozid der Roten Khmer verbunden. Deshalb ist es uns ein großes Anliegen, eng mit ihnen zusammenzuarbeiten und der Aufenthalt von Andreas Jähnert in Battambang im Jahr 2012 ermöglicht es uns, in eine ihm bereits bekannte Realität einzutauchen und die bestehenden persönlichen Verbindungen für die Stückentwicklung zu nutzen.
Stück:
TextRegieFilm
Christian Kühne Andreas Jähnert Federico Epifanio
Zeitraum:
August - Oktober 2019 / Premiere am 4. Oktober 2019 (20h)
Ort:
Battambang, Kambodscha Zirkus Phare Ponleu Selpak und Universität Battambang
Eine Koproduktion theater der sprachfehler und Phare Ponleu Selpak